Beispiel:
Immer wieder ist im Laufe der letzten Monate deutlich geworden, dass die Mitarbeiter in der Verarbeitung keine Schutzhandschuhe tragen. Dieser Missstand ist bis zur Unternehmensführung vorgedrungen und stößt hier auf absolutes Unverständnis. Die Geschäftsführung will nun selbst tätig werden und sich darum unmittelbar kümmern. Der Geschäftsführer lässt durch einen Mitarbeiter ein Informationsblatt zusammenstellen, in dem alle Fakten, Regeln und Pflichten diesbezüglich aufgelistet sind. In einem ausführlichen Vorwort weist der Geschäftsführer selbst auf die Notwendigkeit des Tragens von Schutzhandschuhen hin und mahnt die Mitarbeiter an, in diesem Punkt aufmerksamer zu werden. Bei der nächsten Unterweisung wird den Mitarbeitern das Informationsblatt ausgehändigt und durch die verantwortliche Führungskraft vorgelesen.
In diesem Beispiel wird etwas ganz deutlich: Die Unternehmensführung nimmt das Thema Arbeitsschutz ernst und zeigt Interesse für die Situation im Betrieb. Oder würde man sich sonst solche Mühe geben?
Eines können wir aber mit Sicherheit sagen: Bei den Mitarbeitern ist nicht viel von dem Inhalt des Informationsblattes hängen geblieben. Es tritt ein kurzfristiger Effekt ein, allein dadurch, dass sich der Geschäftsführer selbst des Themas annimmt, aber die Nachhaltigkeit bleibt hier schnell auf der Strecke. Leider wurde es verpasst, den Teilnehmern mehr als nur mündliche Informationen mitzugeben. Dabei sind wir Menschen doch sehr stark visuell geprägt.
„Wenn das Auge nicht überzeugen kann, dann überredet auch der Mund nicht.“ (Franz Grillparzer)
Es gibt für unser Gehirn 2 Codes, in denen die Botschaften verschlüsselt sind. Sprache – gesprochen und geschrieben – ist ein Code, Bilder ein anderer. Für das wirkliche Lernen und Begreifen ist es besonders effektiv, wenn die gleiche Information sowohl im Code Sprache als auch im Code Bild präsentiert wird. Bezug nehmend auf unser Beispiel – das Tragen der Schutzhandschuhe –, wird sowohl mit Worten als auch mit einer Skizze oder einem Foto gezeigt, worauf es ankommt. Hierbei kommt es dann zu einer sogenannten Doppelcodierung: Das Gehirn merkt sich das Tragen der Schutzhandschuhe mit 2 Gedächtnisspuren. Wenn man sich später daran erinnern möchte bzw. sollte, hat man die Chance, sich über 2 Gedächtnisspuren zu erinnern anstatt nur über eine. – So viel zu einem kleinen Einblick in die Funktion unseres Gehirns. Wichtig ist an dieser Stelle noch dass der Arbeitsspeicher jedes Gehirns schnell überlastet ist, wenn falsch mit der Sprache und den Bildern umgegangen wird. Damit das nicht passiert, erhälst du hier einige wichtige Informationen in Bezug auf den Umgang mit den Medien „Pinnwand“ und „Flipchart“.
Tipp: Lerne, Sprache und Bilder zu beherrschen.
Professionelle Sprache:
- Kurze Sätze, roter Faden, bildhafte Sprache (Beispiele, Anekdoten usw.), langsames Sprechen, Fachbegriffe nicht mit Fachbegriffen erklären, Fragen einstreuen. Bei Anschriften: lesbar und groß schreiben, Wichtiges nur in Schwarz schreiben (optimaler Kontrast), Text auch optisch strukturieren (Anordnung auf dem Flipchart, sinnvoll unterstreichen, markieren, einrahmen).
Professionelle Bilder:
- Nur das Wichtigste visualisieren, Farben sollten Bedeutung haben, Komplexes nach und nach aufbauen, Abbilder und logische Bilder (z. B. Diagramme, Mindmaps) kombinieren.
Bei allen Rahmenbedingungen ist nur eine Sache wichtig: Es zählt die Aussage. Dabei ist nicht relevant, von wem genau der Inhalt stammt. Wenn am Flipchart eine Zurufliste notiert wird oder wenn an der Pinnwand Beiträge auf Karten gesammelt werden, löst sich die Aussage von der Person. Das ist ein großer Gewinn im Vergleich zur mündlichen Kommunikation. Es ist völlig normal, dass andernfalls den Sprechern abhängig von ihrer Position oder Autorität eine höhere oder eine geringere Glaubwürdigkeit geschenkt wird. Erst das schriftlich Fixierte wird als relevant wahrgenommen.
Pinnwand
Vergleiche das eben Gelesene mit einer Kartenabfrage, bei der die Zuhörer ihre Ideen zu einem Problem auf Karten notieren und diese an die Pinnwand heften sollen. Es wird bei dem Notieren nicht geredet, gleichzeitig werden viele Beiträge gesammelt und an der Pinnwand auf einen Blick überschaubar angeordnet. Nichts geht verloren. Man kann jetzt sehen, welche Karten zusammengehören, wie oft eine Idee gedacht wurde, wo die Meinungen auseinandergehen. Da die Karten mobil sind, kann man sie neu anordnen oder nur wenige Karten auswählen und damit weiter arbeiten. Projizieren wir das einmal auf unser Beispiel der Schutzhandschuhe: Durch eine Kartenabfrage der Teilnehmer könnte die Führungskraft gemeinsam mit den Mitarbeitern einen Weg erarbeiten, eine Verbindlichkeit im Tragen der Schutzhandschuhe zu erreichen. Probleme, wie z. B. schlechte Marke der Schutzhandschuhe, könnten dadurch deutlich werden. In diesem Fall würde die Verwendung einer Pinnwand mit Kartenabfrage bedeuten: Weg vom Unterweisenden hin zu den Mitarbeitern! Mit der Methode gelingt es dir, deine Mitarbeiter einzubeziehen.
Die klassische Pinnwandabfrage
- Karten zu einem Thema oder Impuls schreiben lassen
- Karten einsammeln
- Erste Karte vorlesen, hochhalten und links oben (unter der Überschrift) anpinnen
- Zweite Karte vorlesen, hochhalten und mit der Gruppe feststellen, ob es sich um dasselbe oder um ein neues Thema handelt.
- Wenn jemand sagt: „Das ist ein neues Thema“, ordnest du die Karte in eine zweite Reihe an.
- Wenn man sich nicht einig ist, kann der Unterweisende fragen: „Wer hat die Karte geschrieben?“ und lässt diese Person entscheiden, wo die Karte hingehört. Gegebenenfalls passt der Punkt auf der Karte zu mehreren Themen, sodass mit doppelten Karten ergänzt werden kann.
- Vervollständige die Pinnwand mit allen vorhandenen Karten.
- Wirf mit der Gruppe einen prüfenden Blick auf das Gesamtbild, und tausche Karten um, wenn du Unstimmigkeiten entdeckt hast.
- Jetzt sollte es leicht fallen, die zusammengehörenden Karten mit einer Überschrift zu versehen.
Bei Zeitmangel ist es nicht immer nötig, dass alle Karten geclustert werden, bevor man weiterarbeitet. Es kann dann ausreichen, wenn du sagst: „Sie sehen, es gibt zu diesem Thema viele Beiträge. Aus Zeitgründen können wir jetzt nicht alle bearbeiten. Suchen wir uns aber 3 Themen aus, auf die wir heute gemeinsam eingehen wollen.“
Wenn du die Kartenabfrage weniger frei gestalten willst, solltest du den folgenden Tipp ausprobieren: Du kannst den Mitarbeitern vor der Kartenabfrage auch gleich eine vorbereitete Sortierpinnwand präsentieren. Die Mitarbeiter schreiben ihre Karten dann in eine vorgegebene Struktur. Wenn alle mit ihren Karten fertig sind, gehst du nach vorn und pinnst die Karten in die passenden Felder. Man erspart sich hier das Sortieren als eigenen Arbeitsschritt, wobei die Interaktion der Teilnehmer etwas reduziert wird.
Kartenstapel werden immer höher
Oft genug passiert es in solch einer Kartenabfrage, dass die Teilnehmer einen großen Ehrgeiz entwickeln und zur Höchstform auflaufen. Eigentlich willst du durch diese Methode von den Teilnehmern nur ihre Wünsche, Lösungsvorschläge, aktuelle Probleme oder andere Anliegen erfahren. Zunächst freust du dich, dass alle so fleißig schreiben. Doch die Kartenstapel werden immer größer. Deine Freude schlägt schon in Sorge um, wie du die Kartenmenge an der Pinnwand unterbringen sollst. Gerade Mehrfachnennungen sind hier ein Problem. Alle Karten sind gleich viel wert, und somit wäre es ein Fehler, nur eine aufzuhängen und die anderen zu ignorieren. Alle müssen aufgehängt werden. Auch Wiederholungen müssen sichtbar sein, denn das zeigt die Relevanz des Themas. – Was also tun?
Es wäre am einfachsten, jedem Mitarbeiter nur 2 oder maximal 3 Karten zu geben. Das würde die Mitarbeiter in ihren Überlegungen jedoch weniger anregen. Auch das Misstrauen, dass „hier wohl nicht alles auf den Tisch kommen soll“, könnte geweckt werden.
Tipp: Lasse die Karten nicht von jedem Mitarbeiter einzeln schreiben, sondern bilde „Murmelgruppen“. Am besten sind das jeweils 3 Personen, die nebeneinander sitzen. Alle bleiben also am Platz und eine Person schreibt stellvertretend für die Dreiergruppe. Um Nu wird ein produktives Gemurmel im Raum entstehen. Es werden nun 2 Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Erstens werden in den Murmelgruppen die Mehrfachnennungen erkannt und im Vorhinein ausgesondert. Zweitens werden die Ideen diskutiert und vorselektiert.
Hervorheben an der Pinnwand
Nachdem nun die Karten an die Pinnwand geheftet wurden, entweder durch dich selbst (klassische Kartenabfrage) oder die Teilnehmer, geht es jetzt darum, aus der Vielfalt der Vorschläge besonders attraktive Fragestellungen, Probleme oder Lösungsansätze hervorzuheben. Wie genau kannst du das tun?
Tipp: Schneide aus weißen oder roten Karten eine Kartenunterlage aus. Sie sollte 2 bis 4 cm über die eigentliche Karte hinausragen und somit einen auffallenden Hintergrund bilden. Wenn du jetzt eine Karte besonders hervorheben möchtest, nimmst du sie von der Pinnwand ab und pinnst zuerst die neue Unterlage und dann die Karte in die Mitte an. Du kannst hier natürlich auch mit Formen experimentieren, wenn du das möchtest. In professionellen Moderationskoffern gibt es auch farbige Punkte, mit denen du Karten hervorheben kannst.
Fazit
Fahre 2-gleisig, indem du 2 anstatt einer Gedächtnisspur im Gehirn deiner Zuhörer aktivierst. Auch wenn der Einsatz einer Pinnwand dir zunächst als nicht geeignet für eine Unterweisung scheint, gib dir einen Ruck und teste den Unterschied. In unserem Beispiel wurden die Mitarbeiter lediglich auf der Sprach- und nicht auf der Bildspur angesprochen. In meinen Ausführungen habe ich dir deutlich gemacht, wie einfach es auch gewesen wäre, mit den Mitarbeitern eine Kartenabfrage zu dem Thema „Tragen von Schutzhandschuhen“ zu machen.
Gemeinsam erarbeitete Informationen führen zu den erzielten Inhalten und somit zu einer erfolgreichen Unterweisung. Diese entspricht einer gemeinsamen Vereinbarung, und daran halten sich die Mitarbeiter mit einer ganz anderen Verbindlichkeit, als wenn sie nur zuhören und vor Konsequenzen gewarnt werden.
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